Abb. 1: Der Raubwürger auf einer Ansitzwarte über artenreichem Grasland. Foto: Jörg Hoffmann, 26. Mai 2025.
© Dr. Jörg Hoffmann
Der Raubwürger
ein seltener heimischer Brutvogel
Der Raubwürger – ein seltener heimischer Brutvogel
(Ein Beitrag von Jörg Hoffmann, Waldsieversdorf)
Den Raubwürger gab es in sehr geringer Zahl und wenigen Brutpaaren im früheren Kreis Strausberg (HOFFMANN 1993) sowie gibt es aktuell im Landkreis Märkisch-Oderland. Am ehesten kann man diesen etwa amselgroßen Würger, einem kleinen Greifvogel ähnelnd, im Winter in der Agrarlandschaft entdecken, obwohl sich bei Schnee und Eis seine weiß-grau-schwarze Federzeichnung (Abb. 1) dann weniger deutlich von der Umgebung abhebt. Sein Bestand wird in ganz Brandenburg auf nicht mehr als 300 Brutpaare geschätzt (SCHMIDT 2001).
Der Name „Raubwürger“ klingt bedrohlich. Dieser scheint eher gelegentlich menschlichen Eigenarten entlehnt zu sein und er wurde früher mit seinem Nahrungsverhalten als „Fleischfresser“ ungerechtfertigterweise in Zusammenhang gestellt.
In seiner Ernährungsweise ist der Raubwürger auf tierische Nahrung angewiesen. Er hat sich auf den Fang von Großinsekten, besonders aber auf Kleinsäuger – verschiedene Mäusearten, Kleinvögel, z. B. Feldlerchen sowie Eidechsen, spezialisiert (BAUER et al. 2005). Anders als bei den Greifvögeln fasst der Raubwürger seine Beute nicht mit den Fängen, d. h. den Füßen und Krallen, sondern mit seinem leicht hakenförmig gebogenen Schnabel (siehe Abb. 1), der ähnlich einem Widerhaken funktioniert, wenn die Beute gegriffen wurde.
Potenzielle Beutetiere werden aus erhöhter Position, oft von Ansitzwarten, einzelne Sträucher, Bäume oder Pfähle, gesucht und anvisiert (Abb. 2). Nicht selten vollführt er auch einen geradezu atemberaubenden Rüttelflug, ähnlich dem von Turmfalke oder Rauhfußbussard. Diese Königsdisziplin des Fluges erfolgt bei etwa 10 Metern über dem Gelände. Die Umgebung sowie die Bodenoberfläche unter dem Vogel werden präzise observiert. Diese Flugleistung erfordert den für den Flug der Vögel höchsten Energieeinsatz. Aus der Luftposition, wie an einem Punkt auf einer Ansitzwarte quasi fixiert, wird dabei die Bodenoberfläche auf potenzielle Beutetiere gemustert.
Ist ein Beutetier ausgemacht, dann geht nach durchaus längerer Lauerphase alles ganz schnell. Fast lautlos hebt der Raubwürger von seiner Ansitzwarte ab (Abb. 3), um blitzschnell, wie ein Pfeil, nach unten zu schießen (Abb. 4), die anvisierte Beute zu fassen. Nicht immer ist die Jagd erfolgreich. Aber in diesem Fall kamen Jagderfahrung und vielleicht auch etwas Glück zusammen. Eine prächtige Maus war die verdiente Beute (Abb. 5).
Um sich nach der Jagd eine kleine Ruhepause zu gönnen, wird das Beutetier oft auf kleine Dornenzweige gespießt, wie sie an dem trockenen Rosenstrauchzweig nach Abb. 5 erkennbar sind.
Je nach Witterungsbedingungen und Nahrungsressourcen gibt es auch weniger erfolgreiche Jagdtage in seinem Revier. Um Nahrungsengpässe besser zu überbrücken, legt sich der Raubwürger, wenn ein reichliches Nahrungsangebot besteht, gern eine „Speisekammer“ an. So kann es vorkommen, dass man seltsam anmutende Dornenstrauchzweige mit aufgespießter Maus oder Feldlerche findet. Es sind die Nahrungsvorräte des Raubwürger, um sie später nutzen zu können.
Zum Nahrungsverhalten darf festgehalten werden, dass der Raubwürger nicht aus Lust, Freude oder gar Fehlverhalten Beutetiere jagt sowie sich temporär bevorratet. Sein ganzes Verhalten, seine Lebensweise ist auf den eigenen Nahrungsbedarf sowie während der Brutzeit auf die Ernährung seiner Jungen, teils auch seiner Partnerin ausgerichtet, nicht mehr.
Wichtig für den Lebensraum des seltenen Raubwürgers sind große, nur extensiv bewirtschaftete Flächenteile in der Agrarlandschaft. Während der Brutzeit kann ein Revier etwa 1 km² Größe haben (BAUER et al. 2005), hingegen streifen Raubwürger in der Winterzeit in viel größeren Arealen in der Agrarlandschaft umher, um ihren Nahrungsbedarf zu decken.
Literatur:
BAUER, H.-G., BEZZEL, E., FIEDLER, W. 2005: Das Kompendium der Vögel Mitteleuropas. Aula-Verlag, Wiebelsheim: 43-47.
HOFFMANN, J. 1993: Raubwürger – Lanius excubitor L., 1758. – In: HOFFMANN, J., KOSZINSKI, A.: Die Vogelwelt im Landkreis Strausberg, Tastomat, Eggersdorf: 174-175.
SCHMIDT, A. 2001: Raubwürger – Lanius excubitor Linnaeus 1758. – In: ABBO: Die Vogelwelt von Brandenburg und Berlin. Natur & Text, Rangsdorf:562-564.
Zum Autor:
Jörg Hoffmann beschäftigt sich seit mehr als 40 Jahren mit der heimischen Natur. Besonders interessieren ihn die Artengruppen Vögel, Gefäßpflanzen und Tagfalter der Region sowie der Naturschutz. Er promovierte auf den Gebieten der Landwirtschafts- sowie der Naturwissenschaften. Gut 40 Jahre arbeitete er als Wissenschaftler in den Forschungsinstituten in Müncheberg, Braunschweig und Kleinmachnow. Er publizierte ca. 300 Fachbeiträge in Zeitschriften und Büchern. Eine jüngere Langzeitstudie befasste sich mit den Veränderungen der Biodiversität unserer Landschaften (HOFFMANN, J. 2023: Biodiversität im Zeitvergleich. Strukturelemente und Nutzungen räumlich identischer Ackerbaugebiete 1991-1993 und 2018-2021. Auswirkungen auf die Biodiversität. Berichte aus dem Julius Kühn-Institut 224: 940 S. https://www.openagrar.de/receive/openagrar_mods_00088315 ).
Datum: 30.06.2025
Abb. 2: Die Beute wurde vom Raubwürger am Boden erspäht und ins Visier genommen. Foto: Jörg Hoffmann, 26. Mai 2025.
Abb. 3: Abflug des Raubwürger von der Ansitzwarte zum Boden. Foto: Jörg Hoffmann, 26. Mai 2025.
Abb. 4: Wie ein Pfeil schießt der Raubwürger in Richtung seiner Beute am Boden nach unten in das Grasland. Foto: Jörg Hoffmann, 26. Mai 2025.
Abb. 5: Der Raubwürger ist erfolgreich mit seiner Beute, eine große Maus, zurück auf seine Ansitzwarte geflogen. Foto: Jörg Hoffmann, 26. Mai 2025.
Dieser Artikel wurde erstellt durch:
Redaktion MOL Nachrichten
Dr. Jörg Hoffmann
